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Spitalverbund AR – nur angeschlagen oder schwer krank?

Die EVP AR verfolgt die neusten Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Spitalverbund mit Sorge und Betroffenheit. Grundsätzlich ist sie über diese Veränderungen jedoch nicht erstaunt, hängen diese doch auch mit der allgemeinen Situation im Gesundheitswesen zusammen.

Vor einigen Jahren wurde das schweizerische Gesundheitswesen 'marktfähig' gemacht. Spitäler wurden in Profitcenter umgewandelt und von der direkten Trägerschaft des Kantons gelöst. Sie sollten fit werden für den Gesundheitsmarkt und unternehmerische Freiheiten erhalten. Damit sollten sie die gleich langen Spiesse erhalten wie die privaten Spitäler. Ebenfalls steigt die Anzahl der Spezialärzte kontinuierlich an. Die freie Arzt- und Spitalwahl ist den Schweizerinnen und Schweizern offenbar heilig. Der Markt soll es nun richten: gute Anbieter mit effizienten Leistungen und Behandlungserfolg würden sich, so die Logik, durchsetzen.

Der Markt 'funktioniert'

Vergessen hatte man bei dieser Übungsanlage was Markt heisst: Marktwirtschaft rechnet mit Wachstum, mindestens in dem Mass um die Investitionen zu tätigen, neue Produkte auf den Markt zu bringen und die anderen Player zu überflügeln. Dabei ist es entscheidend ein gewisses Marktvolumen abschöpfen zu können oder eine lukrative Nische zu finden, in welcher die nötigen positiven Ergebnisse erzielt werden. Marktwirtschaft heisst auch nicht per se, dass Angebote billiger werden. Anbieter können sich auch entscheiden, den Preis, welcher Kunden zu bezahlen bereit sind, zu verlangen und die Marge zu verbessern. Dieses Phänomen ist bei den Medikamentenpreisen und zum Teil auch bei Ärzten nicht ganz neu. Damit hat im Gesundheitsbereich generell und bei den Spitälern im Besonderen ein 'Wettrüsten' begonnen, welches die Prämien in die Höhe treibt. Der Gesundheitskonsument spielt mit und konsumiert die Leistungen, klagt über die hohen Preise und ist doch nicht bereit sein Verhalten zu ändern. Denn wir leben in einer Zeit in der Gesundheit als höchstes Gut angesehen wird. Alle möchten nachvollziehbarerweise Leid und Schmerz vermeiden. Es wird darüber hinaus erwartet, dass dies jederzeit, geographisch möglichst Nahe und auf höchstem Niveau erfolgt. In diesem Punkt sind wir auch immer weniger bereit Kompromisse einzugehen. Zwar versucht die Politik mit Regulierung (Medikamentenpreise, Ärztetarifen oder Spitallisten) etwas Gegensteuer zu geben. Bis jetzt hat sie es noch nicht geschafft die Grundkräfte des Marktes im Zaum zu halten.

Der 'Zwang in der Grundversorgung'

In diesem Kontext versucht sich nun der kleine Spitalverbund AR zu positionieren und stellt nun langsam aber sicher fest, dass es für seine Angebote (zu)wenig Markt gibt. Er muss jedoch laut Gesetz eine flächendeckende Grundversorgung im Kanton mit drei Spitalstandorten anbieten. Dabei steht er im Konkurrenzkampf mit dem Grossraum St. Gallen mit einer definitiv besseren Infrastruktur und einem breiteren medizinischen Angebot. Dieser steht nicht still und will in den nächsten Jahren beinahe eine Milliarde Franken investieren. Zudem hat in den letzten zwanzig Jahren vor allem in der Chirurgie die Spezialisierung stark zugenom-men. Somit ist es für kleinere Spitäler, wie Herisau und Heiden es sind, nicht mehr möglich ein breites Spektrum an Dienstleistungen auf dem heute auch von den Patienten geforderten Niveau anzubieten. Die Folge davon ist, dass viele Patienten verständlicherweise auf grössere Spitäler wie z.B. St. Gallen ausweichen. Man kann es drehen und wenden wie man will: früher oder später wird der Spitalverbund AR ein Sanie-rungsfall und mit grosser Wahrscheinlichkeit Opfer der Marktwirtschaft im Gesundheitswesen. Da wer-den weder eine Eignerstrategie des Kantons noch mehr oder weniger starke Korrekturen des Verwal-tungsrates etwas ändern. Schlussendlich werden die Kunden (die Patienten und die zuweisenden Ärzte) entscheiden ob die Spitäler in unserem Kanton erfolgreich sein werden oder nicht.

Harte Tage für die Mitarbeitenden

Diese Entwicklung ist vor allem für die betroffenen Mitarbeitenden bedauerlich und hart. Menschen, die sich zum Teil über Jahre und Jahrzehnte zum Wohl der Patienten und der Spitalorganisation einge-setzt haben sind verunsichert. Sie sind Opfer einer generellen Fehleinschätzung der Situation. Einziger Lichtblick ist für sie, dass im ganzen Gesundheitswesen ein Bedarf an qualifizierten Mitarbeitenden besteht. Die EVP AR ist sich dabei aber bewusst, dass dies ein kleiner Trost ist, denn die Mitarbeitenden müssen sich neu orientieren und unter Umständen längere Arbeitswege, andere Arbeitsbedingungen etc. in Kauf nehmen.

Der Realität ins Auge blicken

Die Eignerstrategie des Regierungsrates ist ausstehend. Wie sie auch schlussendlich ausfallen wird – die Spitäler werden sich weiterhin der generellen (Markt)Situation stellen müssen. Es ist kaum anzuneh-men, dass gerade unser kleiner Kanton hier verschont werden wird. Die zentrale Frage ist bisher unbe-antwortet, ob die beiden Spitäler und die Psychiatrische Klinik nötig und mittel- und langfristig überle-bensfähig sind. Die EVP AR erwartet hier, dass Regierung und Verwaltungsrat der Realität ins Auge blicken. Es ist zwin-gend, nicht nur in den kantonalen Grenzen zu denken, sondern über die Kantonsgrenzen hinaus nach Lösungen zu suchen. Dass dies auf Gesetzesebene Auswirkungen hat und beispielsweise die definier-ten Spitalstandorte gestrichen werden müssen, versteht sich von selbst. Andernfalls ist die Chance gross, dass das Eigenkapital des Spitalverbundes in den nächsten Jahren unter Null sinkt und Lösungen immer schwieriger und teurer werden. Die EVP AR ist sich bewusst, dass solche Denkansätze nicht populär sind und der Wegfall von Spitälern auf erbitternden Widerstand stösst. Sie glaubt aber, dass es jetzt sinnvoll und nötig ist, solche Überle-gungen anzustellen und die Bevölkerung sachlich zu informieren.

Für Rückfragen: Mathias Steinhauer, Herisau (078 862 11 70)