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Drei zukunftsfähige Gemeinden

Die EVP AR nimmt zu den drei Vorschlägen des Regierungsrates Stellung. Alle Varianten haben gewichtige Mängel und machen unseren Kanton nicht zukunftsfähig.

Vernehmlassung Volksinitiative „Starke Ausserrhoder Gemeinden"; Gegenvorschlag

Sehr geehrter Herr Regierungsrat
Sehr geehrte Damen und Herren

Wir danken für die Einladung zur Vernehmlassung bezüglich der Volksinitiative 'Starke Ausserrhoder Gemeinden' bzw. zum Gegenvorschlag der Regierung und nehmen gerne zu diversen Themen Stellung.

Allgemeine Bemerkungen

Nachdem die Initiative nun seit gut zweieinhalb Jahren eingereicht ist und der Kantonsrat einen Gegenvorschlag verlangt hat, gelangt der Regierungsrat gleich mit drei Varianten an die Vernehmlassungsadressaten. Gewisse Gründe mögen nachvollziehbar sein, doch eine Vernehmlassung mit drei Varianten ist doch eher unüblich.

Insgesamt positioniert sich der Regierungsrat dann doch noch und bevorzugt die Variante 1. Damit ändert der Regierungsrat seine bisherige Position fundamental. Hat er doch bisher immer gesagt, dass eine Anpassung der Gemeindestrukturen von den Gemeinden her initiiert werden müsse. Die Gründe legt der Regierungsrat plausibel dar. Er hätte dies aber auch mutiger mit einem einzigen Gegenvorschlag tun können.

Auch für die EVP AR stehen ähnliche Gründe im Zentrum, wenn es um die Frage geht, ob eine Änderung der Gemeindestrukturen langsam und von den Gemeinden her oder in einer Gesamtsicht auf der Verfassungsebene und mittels einem gemeinsamen Prozess gelöst werden muss:

  • Eine flexible Variante würde viel Energie und Aufwand für die nächsten Jahrzehnte binden und zu ständigen Veränderungen in der Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden und zwischen Gemeinden und Kanton führen.
  • Der Volkswille muss klar in der Verfassung verankert sein (Zahl, Definition der Gemeinden). Aus Sicht der EVP ist es undenkbar, die Anzahl Gemeinden mit einer 'von – bis – Zahl' in der Verfassung zu verankern. Welche Gemeinden würden dann 'verschwinden'?
  • Mit einer klaren Verankerung der Anzahl Gemeinden in der Verfassung würde der Volkswillen unmissverständlich zum Ausdruck kommen.
  • Die Lösung muss zukunftsgerichtet sein und sich an der Leistungserbringung für die Bürgerinnen und Bürger orientieren. In einer komplexer werdenden Welt wird dies kaum mit 20 Gemeinden möglich sein. Es macht langfristig kaum Sinn den ganzen Kanton mit unterschiedlichsten Zweckverbänden zu überziehen, welche immer wie mehr der Kontrolle der Bürgerinnen und Bürger entzogen werden. Dies schafft Abhängigkeiten, welche kaum mehr aufgelöst werden können.
  • Der aktuelle Stillstand wird mittel– bis langfristig den Kanton ins Abseits führen. Für eine wirkliche Entwicklung des Kantons ist es unabdingbar, sich an einem grösseren Ganzen zu orientieren und die vorhandenen Chancen zu nutzen.
  • Oft führen Themen die auf Freiwilligkeit beruhen zu keinem Ziel oder lindert Probleme und Mankos höchstens kurzfristig. In der Hoffnung, dass sich der SVAR entwickelt und mutige unternehmerische Entscheide fällt, wurden auch die Standortnamen aus dem Gesetz gestrichen. Verändert hat sich nichts und das Resultat wird aktuell sichtbar.

Diese Hauptgründe führen bei der EVP AR zum Schluss, dass in der Verfassung eine klare Anzahl Gemeinden mit einem klaren Profil verankert werden muss.

Aus dieser Perspektive heraus hat sich die EVP AR auch mit den in der Vernehmlassung aufgeführten Varianten befasst. Sie hat dabei die Argumente der Regierung geprüft. Dabei kommt sie zum Schluss, dass keine der vorliegenden Varianten das Potenzial hat, unseren Kanton in die Zukunft zu führen.

Die nachfolgende Tabelle zeigt, dass die Variante 1 zwar viele positive Aspekte beinhaltet, aber auch sehr gewichtige Nachteile mit sich bringt, welche keine zukunftsgerichtete Lösung ermöglicht bzw. die Entwicklung unseres Kantons behindern wird.

Bewertung der Varianten des Regierungsrates

Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile der Vernehmlassung:

  Variante 1 (4 Gemeinden) Variante 2 (4-16 Gemeinden) Variante 3 (offen)
Pro
  • Wahlkreise ermöglichen Proporz
  • Attraktive Verwaltungsjobs, Personal in guter Qualität, gute Leistung für Bürger/innen > Professionalität
  • Bei grösseren Gemeinden kostet die Verwaltung pro Einwohner weniger
  • Kommunikation unter den Gemeinden weniger Komplex und auf gleicher Augenhöhe
  • Gemeinden könnte mit Parlamenten bestückt werden > Qualität und Abstützung der Gemeinden, Bevölkerung ist durch Parlament besser repräsentiert
  • Komplexität durch Zweckverbände wird verkleinert
  • Ein gemeinsames kantonales Fusionsprojekt (fast alle)
  • Absolute Zahl kann in Verfassung geschrieben werden > ohne Diskussion, Grenzen sind klar
  • Komplexität von Fusionsprojekten sinkt (aufgrund bestehender Verträge zwischen einzelnen Gemeinden, falls die Gemeinden bereits zusammenarbeiten)
  • Entspricht der Initiative in etwa
  • Alles ist möglich
Contra
  • Gemeinde Hinterland ist abgeschnitten und weiterhin finanziell abhängig von Kanton und Gemeinden
  • Die offensichtliche Strukturschwäche des Hinterlandes wird zementiert
  • Pendlerströme und ÖV des Hinterlandes laufen über Herisau (Funktionalraum)
  • Kein Zentrum in der Gemeinde Hinterland, mit generell schwacher Entwicklung
  • Herisau muss sich nicht bewegen
  • Energie für Fusionen muss aus der Verwaltung oder einzelnen Gemeinden kommen
  • Einzelne Fusionen blockieren eine Weiterentwicklung des ganzen Kantons
  • Kanton müsste ‚neu gezeichnet‘ werden
  • 4 Gemeinden müssten irgendwie fusionieren > Zwang für wenige
  • Es ist nicht klar wer betroffen ist
  • Es wird die Katze im Sack gekauft
  • Alle ausser Herisau könnten betroffen sein
  • Run auf attraktive Fusionspartner
  • Laufende Veränderungen auf allen Ebenen (Gesetze, Verordnungen etc.)
  • Energie für Fusionen muss aus Verwaltung oder einzelnen Gemeinden kommen
  • Einzelne Fusionen blockieren eine Weiterentwicklung des ganzen Kantons
  • Kanton müsste 'neu gezeichnet' werden
  • Kanton ist über lange Zeit 'im Umbau' mit vielen Unwägbarkeiten
  • Gemeinden werden erst Handeln, wenn es absolut nicht mehr geht, es reicht nicht etwas finanziellen Anreiz zu erhalten
  • Laufende Veränderungen auf allen Ebenen (Gesetze, Verordnungen etc.)
  • Finanzausgleich über Jahre nicht gelöst und permanent im Fluss
  • Aufbau/Struktur des Kantons muss in der Verfassung stehen

Der EVP AR macht daher einen alternativen Vorschlag mit drei Gemeinden

Der Kanton würde sich in Zukunft in die drei Gemeinden Vorderland, Mittelland und Hinterland gliedern. Damit entstünde eine Struktur, welche die Vorteile der Variante 1 aufnimmt, ihre gewichtigen Nachteile jedoch zu einem grossen Teil auszugleichen vermag. Der Vorschlag beruht auf einer traditionellen Aufteilung des Kantons in die ehemaligen Bezirke. Er spiegelt damit die im  sprachgebrauch geläufige Aufteilung unseres Kantons wieder und hat den grossen Vorteil dass nicht einzelne Gemeindenamen verschwinden, während andere erhalten blieben. Der ganze Kanton bewegt sich miteinander und wird zukunftsfähig.

Damit kann sich der Kanton zu einem dynamischen Teil der Schweiz entwickeln und positiv auf sich aufmerksam machen. Es muss aus Sicht der EVP AR eine wesentliche Absicht sein, die Attraktivität und die Entwicklungsmöglichkeiten zu erhöhen und in verschiedenen Bereichen sanft aber kontinuierlich zu wachsen. Unser Kanton hat durch seine Vielfalt gute Chancen sich in den Bereichen Wohnen, Wirtschaft, Kultur, Tourismus etc. mit schlanken und effizienten Strukturen zu entwickeln und genau solche Zielsetzungen zu erreichen.

Zusammengefasste Vorteile einer Struktur mit drei Gemeinden:

  • Tradition > Zurück zu den Wurzeln
  • Die Namen der drei Gemeinden wären gesetzt
  • Jeder Gemeinde hat ein gewachsenes und bekanntes Zentrum
  • Alle drei Gemeinden haben Entwicklungsmöglichkeiten
  • Alle drei Gemeinden haben die Grösse qualitativ gut und effizient arbeiten zu können
  • Verhältnis zwischen grösster und kleinster Gemeinde bleibt ähnlich wie bei Variante 1
  • Gemeinde Hinterland ‚weiterhin‘ die grösste Gemeinde (psychologischer Effekt)
  • Gibt einer Gemeinde Hinterland viel grössere Entwicklungschance als Variante 1
  • Herisau ist mitgemeint
  • Politische 'Zugpferde' im Kanton bleiben bestehen
  • Zudem gelten die Vorteile der Variante 1 des Regierungsrates hier auch

Es ist aus Sicht der EVP zentral, dass sich wirklich alle bewegen müssen. Es kann eine Dynamik entstehen welche sich positiv auswirkt.

Grundsätzliche Überlegungen

Der EVP AR ist es wichtig, folgende Punkte grundsätzlicher Art noch anzufügen:

  • Eine neue Struktur des Kantons führt nicht dazu, dass Dorfnamen verschwinden.
  • Das kulturelle und soziale Leben geht in der angestammten Umgebung ohne Veränderung weiter. Vereine und Institutionen bestehen weiter. Diese Arbeiten zum Teil bereits heute über die Gemeindegrenzen hinweg zusammen.
  • Auch in der oft als rückständig bezeichneten Kirche laufen zukunftsorientierte Projekte wie z.B. der Kirchenpark Appenzeller Hinterland oder die schon seit längerer Zeit regional organisierte katholische Kirche.
  • Auch in der Wirtschaft sind übergemeindliche Zusammenschlüsse und Organisationen schon längstens Alltag. Zu erwähnen sind hier zum Beispiel die Raiffeisenbanken oder die landwirtschaftlichen Genossenschaften.
  • Die Bedeutung der physischen Gemeindeverwaltungen wird überschätzt. Die Kontakte sind bei den meisten Bürger/innen äusserst selten und die Entwicklung im Online-Bereich wird diesen physischen Kontakt weiter verringern. Zudem heisst eine veränderte Gemeindestruktur nicht per se, dass gewisse Dienstleistungen nicht mehr in den einzelnen Dörfern angeboten werden können. Weiter ist zu erwähnen, dass in den kleinsten Gemeinden die Gemeindeverwaltungen bereits heute nicht mehr ganztägig geöffnet sind.
  • Die Zielsetzung für die Anpassung der Gemeindestrukturen darf nicht primär im finanziellen Bereich liegen, denn eine Strukturreform kostet zuerst einmal. Die Zielsetzung muss die Zukunftsfähigkeit sein. Das damit dann langfristig Effizienzgewinne einhergehen aber zuerst die Kontinuität und Qualität steigt ist die Erfahrung aus vielen Gemeindefusionen. Dies wird auch in unserem Fall nicht anders sein.

Ziele, Prozess und finanzielle Folgen

Die EVP AR begrüsst es, dass der Regierungsrat von seiner ursprünglichen Sichtweise, dass Gemeindefusionen durch die Gemeinden angestossen werden müssten, abgekommen ist. Wir vermissen jedoch die eine klare und engagierte Formulierung einer neuen Zielsetzung für unseren Kanton mit einer zukünftigen Gemeindestruktur.

Der EVP AR ist bewusst, dass Aussagen zu einem Fusionsprozess und zu den finanziellen Auswirkungen zum aktuellen Zeitpunkt nicht ganz einfach sind. Trotzdem erachten wir die angestellten Überlegungen als mager. Es gibt genügend Beispiele von auch grösseren Fusionsprozessen auf die hätte verwiesen werden können. Ebenso hätte man am Beispiel des Kantons Glarus gewisse Aussagen zu den Kosten eines solchen Prozesses machen können.

Wenn es wirklich das Ziel der Regierung ist, diesen Strukturprozess voranzutreiben und ihn nicht gleich nach dem Vernehmlassungsprozess zu beenden, wird ein deutlich klareres und engagierteres Herangehen notwendig sein.
Die EVP AR wird sich gerne an der Seite der Regierung für eine zielgerichtete und zukunftsfähige Entwicklung unseres Kantons einsetzen.

Neuer Verfsssungstext

Artikel 2
1 Der Kanton Appenzell Ausserrhoden besteht aus den Gemeinden Appenzell Vorderland, Appenzell Mittelland und Appenzell Hinterland.

Artikel 117 quater
1 Die bestehenden Gemeinden Urnäsch, Herisau, Schwellbrunn, Hundwil, Stein, Schönengrund,
Waldstatt, Teufen, Bühler, Gais, Speicher, Trogen, Rehetobel, Wald, Grub, Heiden, Wolfhalden,
Lutzenberg, Walzenhausen und Reute werden zu drei Gemeinden zusammengelegt.
2 Das Gesetz regelt das Nähere.

 

Wir bitten Sie unsere Überlegungen mit einzubeziehen und die vorgebrachten Punkte aus unserer Vernehmlassung zu berücksichtigen.
Besten Dank.

Evangelische Volkspartei Appenzell Ausserrhoden

Sig. Mathias Steinhauer, Präsident